Lösungsvorschläge zur Übung Nr. 1
Besprechung: Mittwoch, den 15. November 2000
Aufgabe 1: (5 Punkte)
Bei dieser Aufgabe führen viele Wege zur Lösung. Wir diskutieren hier 3 Lösungswege.
a) Spezielle Lösung mit trigonometrischen Formeln:
Wir benutzen die einfache trigonometrische Formel

\begin{displaymath}
cos(\alpha + \beta ) = cos\alpha \; cos\beta - sin\alpha \; sin\beta.
\end{displaymath}

Die Überlagerung läßt sich dann schreiben als
$\displaystyle y = y_{1} + y_{2} = y_{0} [$ $\textstyle \;$ $\displaystyle cos(kx - \omega t) cos\varphi_{1}
- sin(kx - \omega t) sin\varphi_{1}$  
  $\textstyle +$ $\displaystyle cos(kx - \omega t) cos\varphi_{2} - sin(kx - \omega t) sin\varphi_{2}
]$  

oder

\begin{displaymath}
y = y_{0} \left[ cos(kx - \omega t)(cos\varphi_{1} + cos\var...
...- sin(kx - \omega t)(sin\varphi_{1} + sin\varphi_{2}) \right].
\end{displaymath}

Dieser Ausdruck ergibt sicher eine harmonische Welle der Form

\begin{displaymath}
y = A \; cos(kx - \omega t +\varphi) = A \left[ cos(kx - \omega t)
cos \varphi - sin(kx - \omega t) sin\varphi \right],
\end{displaymath}

falls $A \; cos\varphi = y_{0}(cos\varphi_{1} + cos\varphi_{2})$ und $A \; sin\varphi = y_{0} (sin\varphi_{1} + sin\varphi_{2})$. Mit den gegebenen Werten für $\varphi_{1}$ und $\varphi_{2}$ gilt $cos\varphi_{1} = sin\varphi_{2}$ und $cos\varphi_{2} = sin\varphi_{1}$, und damit auch $cos\varphi_{1} + cos\varphi_{2} = sin\varphi_{1}
+ sin\varphi_{2}$. Vergleich mit den obigen Formeln ergibt also $A \; sin\varphi = A \; cos\varphi$ und $\varphi = 45^{o}$. Entsprechend finden wir für die Amplitude:

\begin{displaymath}
A = \frac{y_{0}(cos\varphi_{1} + cos\varphi_{2})}{cos\varphi}
= \frac{(2 cm)(\sqrt{3}/2 + 1/2)}{\sqrt{2}/2} = 3,86 \; cm.
\end{displaymath}

b) Allgemeine Lösung mit trigonometrischen Formeln.
Falls jemand die kompliziertere Formel

\begin{displaymath}
cos\alpha + cos\beta = 2 cos \left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right)
cos \left( \frac{\alpha + \beta}{2} \right)
\end{displaymath}

gefunden hat, so erhält er die allgemeinere Lösung für die Summe

\begin{displaymath}
y = y_{1} + y_{2} = 2 y_{0} \; cos\left( \frac{\varphi_{1} -...
... kx - \omega t + \frac{\varphi_{1} + \varphi_{2}}
{2} \right).
\end{displaymath}

Dieses ist eine harmonische Welle mit der Phase und Amplitude

\begin{displaymath}
\varphi = \frac{\varphi_{1}+\varphi_{2}}{2}, \; \; \; \; \; ...
...{0} \; cos \left( \frac{\varphi_{1} - \varphi_{2}}{2} \right).
\end{displaymath}

Einsetzen der Zahlenwerte ergibt die gleichen Ergebnisse wie in Teil a). Mit dieser Herleitung sieht man aber, daß die Überlagerung zweier harmonischer Wellen mit gleicher Amplitude, Frequenz und Wellenlänge immer eine harmonische Welle ergibt, unabhängig von den Phasen $\varphi_{1}$ und $\varphi_{2}$ der Einzelwellen. Mit der einfachen Formel von Lösung a) läßt sich dieser Sachverhalt nicht so einfach zeigen.
c) Lösung mit komplexen Zahlen:
In Zukunft werden wir in den Lösungsvorschlägen immer mit komplexen Zahlen arbeiten. Die gegebenen harmonischen Wellen lassen sich darstellen als Realteil der komplexen Zahlen

\begin{displaymath}
z_{1,2} = y_{0} e^{i(kx - \omega t + \varphi_{1,2})}.
\end{displaymath}

Die Überlagerung der zwei harmonischen Wellen mit Phasen $\varphi_{1}$ und $\varphi_{2}$ ist dann

\begin{displaymath}
z = y_{0} \left( e^{i(kx - \omega t + \varphi_{1})}
+ e^{i(kx - \omega t + \varphi_{2})} \right).
\end{displaymath}

Auf Grund der allgemeinen Beziehung

\begin{displaymath}
e^{ix} + e^{iy} = 2 cos \left( \frac{x-y}{2} \right)
e^{i(\frac{x+y}{2})}
\end{displaymath}

folgt in unserem speziellen Fall

\begin{displaymath}
z = 2 y_{0} \; cos \left( \frac{\varphi_{1}- \varphi_{2}}{2}...
...ght)
e^{i(kx - \omega t + \frac{\varphi_{1}+\varphi_{2}}{2})},
\end{displaymath}

mit dem Realteil

\begin{displaymath}
y = 2y_{0} \; cos \left( \frac{\varphi_{1} - \varphi_{2}}{2}...
...( kx - \omega t + \frac{\varphi_{1} + \varphi_{2}}{2} \right).
\end{displaymath}

Die weitere Argumentation ist die gleiche wie in Teil b).
Aufgabe 2: (6 Punkte)
a) Wir schreiben die Wellenfunktionen als $\xi(v,w)$ mit $v(x,t)=x-ct$ und $w(x,t)=x+ct$. Dann ergeben sich die ersten partiellen Ableitungen nach $x$ und $t$:

\begin{displaymath}
\frac{\partial \xi}{\partial x} = \frac{\partial \xi}{\parti...
...\frac{\partial \xi}{\partial w}
\frac{\partial w}{\partial t}.
\end{displaymath}

Da $\partial v/\partial x = \partial w / \partial x = 1$, $\partial v/\partial t = -c$ und $\partial w/\partial t = +c$ ist, folgt auch

\begin{displaymath}
\frac{\partial \xi}{\partial x} = + \frac{\partial \xi}{\par...
...\partial \xi}{\partial v}
+ c \frac{\partial \xi}{\partial w}.
\end{displaymath}

Hieraus erhalten wir für die zweiten Ableitungen:
$\displaystyle \frac{\partial^{2}\xi}{\partial x^{2}}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{\partial^{2}\xi}{\partial v^{2}} \frac{\partial v}{\partial...
...rtial^{2}\xi}{\partial w^{2}}
+ 2 \frac{\partial^{2}\xi}{\partial v \partial w}$  
$\displaystyle \frac{\partial^{2}\xi}{\partial t^{2}}$ $\textstyle =$ $\displaystyle -c \frac{\partial^{2}\xi}{\partial v^{2}} \frac{\partial v}{\part...
...^{2}\xi}{\partial w^{2}}
- 2c^{2} \frac{\partial^{2}\xi}{\partial v \partial w}$  

Hierbei wurde (wie immer in der Physik) angenommen, daß die gemischten partiellen Ableitungen vertauschbar sind. Einsetzen in die Wellengleichung $\partial^{2}\xi /\partial t^{2} - c^{2} \partial^{2}\xi / \partial x^{2} = 0$ ergibt dann die einfachere Wellengleichung in den Variablen $v$ und $w$:

\begin{displaymath}
\frac{\partial^{2} \xi}{\partial v \partial w} = 0.
\end{displaymath}

b) Aus

\begin{displaymath}
\frac{\partial^{2}\xi}{\partial v \partial w} = \frac{\parti...
...\partial w}
\left( \frac{\partial \xi}{\partial v} \right) = 0
\end{displaymath}

folgt $\partial \xi/\partial w = g'(w)$ und $\partial \xi / \partial v = f'(v)$. Diese Bedingungen sind nur erfüllbar, wenn $\xi(v,w) = f(v) + g(w)$.
Aufgabe 3: (4 Punkte)
Das Seil habe die Länge $L$ und Masse $M$. Dann ist die lineare Massendichte $\mu = M/L$. Wir führen ein Koordinatensystem ein, in dem $y = 0$ am unteren Ende des Seils ist:


Die Zugkraft auf das Seil am Punkt $y$ ist $F(y) = \mu g y$. Die Phasengeschwindigkeit in diesem Punkt ist

\begin{displaymath}
v(y) = \frac{dy}{dt} = \sqrt{\frac{F(y)}{\mu}} = \sqrt{g y}.
\end{displaymath}

Wir haben also das interessante Ergebnis herausbekommen, daß die Phasengeschwindigkeit nicht mehr von der linearen Massendichte abhängt, sondern nur noch von der Koordinate $y$. Die Zeit für den Hin- und Rücklauf beträgt dann:

\begin{displaymath}
T = 2 \frac{T}{2} = 2 \int_{0}^{L} \frac{dy}{v(y)} = 2 \int_{0}^{L}
\frac{dy}{\sqrt{gy}} = 4 \sqrt{\frac{L}{g}}.
\end{displaymath}

Einsetzen der Zahlenwerte liefert $T=2,86 \; s$.
Aufgabe 4: (5 Punkte)
a) Im Gegensatz zu unseren sonstigen Annahmen muß die Feder in dieser Aufgabe eine Masse haben, da sich sonst eine Welle nicht fortpflanzen kann. Die Phasengeschwindigkeit für Longitudinalwellen in der Feder kann völlig analog zu den Longitudinalwellen in einem Stab hergeleitet werden (siehe Skript Seite 13 ff). Für diesen gilt $v = \sqrt{E/\rho}$ mit dem Elastizitätsmodul $E$ und Dichte $\rho$. Der Elastizitätsmodul ist bei der Feder defininiert durch

\begin{displaymath}
E = \frac{\sigma}{\epsilon} = \frac{F}{A\epsilon} = \frac{D \Delta L}{A}
\frac{L}{\Delta L} = \frac{DL}{A},
\end{displaymath}

wobei $A$ der Querschnitt der Feder bei der Länge $L$ und $\Delta L$ eine kleine Längenausdehnung ist. Mit der Dichte $\rho = M/(AL)$ folgt

\begin{displaymath}
\frac{E}{\rho} = \frac{DL}{A} \frac{AL}{M} = \frac{DL^{2}}{M}
\end{displaymath}

und

\begin{displaymath}
v_{long} = L \sqrt{\frac{D}{M}}.
\end{displaymath}

b) Bei den transversalen Wellen kann man wie bei transversalen Wellen auf einer Saite vorgehen. Hierzu bemerken wir, daß die Spannungskraft in der Feder durch $F_{s} = D(L-L_{0})$ gegeben ist. Daraus folgt sofort:

\begin{displaymath}
v_{trans} = \sqrt{\frac{F_{s}}{\mu}} = \sqrt{\frac{D(L-L_{0})}{M/L}}
= \sqrt{L(L-L_{0})} \sqrt{\frac{D}{M}}.
\end{displaymath}

b) Für $L \gg L_{0}$ werden beide Geschwindigkeiten gleich. Allerdings muß in diesem Fall bezweifelt werden, daß in der Feder das Hooksche Gesetz noch gilt.



Harm Fesefeldt
2007-11-28