Ein Beispiel möge diesen Sachverhalt verdeutlichen. Gegeben sei ein Widerstand , an den wir eine Spannung anlegen (Realisierung des Bedingungskomplexes). Das Ergebnis dieses Versuches läßt sich leicht vorhersagen. Durch den Widerstand fließt ein Strom . Der Bedingungskomplex ist hier besonders einfach, er besteht aus dem Widerstand und der Spannung , das Ereignis ist der Strom . Wir sprechen von einem kausalen Ereignis. Das Ergebnis dieses Versuches wird zu einem zufälligen Ereignis, wenn der Widerstand und die Spannung nicht genau bekannt sind, wenn z.B. unsere Meßapperatur zu schlecht ist, oder wenn der Widerstand und die Spannung zeitlich nicht konstant sind, z.B. durch Temperaturschwankungen oder Netzinstabilitäten. Der Bedingungskomplex ist zu kompliziert geworden, um eine sichere Vorhersage zu gewährleisten. Ob ein Versuch kausale oder zufällige Ereignisse liefert, hängt also entscheidend vom Bedingungskomplex ab.
In vielen Fällen ist also der Bedingungskomplex so kompliziert oder gar
nicht vollständig bekannt, sodaß wir nicht in der Lage sind, das
Ereignis mit Sicherheit vorherzusagen. Wir sprechen dann von zufälligen
Ereignissen. Das klassische Beispiel hierfür ist der Spielwürfel
mit völlig homogener und symmetrischer Beschaffenheit. Beim Würfeln
läßt sich nicht vorhersagen, welche Augenzahl nach dem Wurf oben liegt.
Der zu dem Versuch gehörige Bedingungskomplex ist außerordentlich
kompliziert. Er hängt von der Bewegungsform der den Würfel führenden
Hand, von der Beschaffenheit der Oberflächen von Würfel und Tisch u.s.w.
ab. Wir definieren daher folgendermaßen.
Der Unterschied zwischen einem kausalen und einem zufälligen
Ereignis besteht darin, daß beim kausalen Ereignis der den Versuch
beschreibende Bedingungskomplex vollständig angebbar und mathematisch
beschreibbar ist, während beim zufälligen Ereignis die Bedingungen des
Komplexes unvollständig, nicht genau bekannt sind oder in ihrer
Gesamtheit mathematisch nicht erfaßt werden können.
Wenn wir im folgenden von Ereignis sprechen, meinen wir immer ein
zufälliges Ereignis.
Elementarereignis
Der Begriff des Elementarereignisses ist ein
Grundbegriff der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wir definieren:
Kann ein zufälliges Ereignis nur auf eine Weise und mit keinem anderen
Ereignis zusammen eintreffen, so heißt es Elementarereignis.
Wir bezeichnen Elementarereignisse mit . Wir erläutern diesen
Begriff durch das Würfelspiel.
Die Elementarereignisse sind hier durch das Würfeln einer der Zahlen von
1 bis 6 gegeben, wir haben also 6 Elementarereignisse. Das Würfeln einer
bestimmten Zahl schließt das Würfeln einer anderen Zahl als Ergebnis
des Versuches aus. Weitere Ereignisse sind z.B.:
Die Anzahl der Elementarereignisse hängt entscheidend von der Versuchsanordnung ab. Wenn unsere Augen so schlecht wären, daß wir die Anzahl der Punkte auf den Würfeln nicht genau erkennen könnten, sondern nur die Ergebnisse ,,Augenzahl 3'' und ,,Augenzahl 3'' auf Grund des Schwärzungsgrades ausmachen könnten, hätten wir nur 2 Elementarereignisse.
Ereignisraum
Es ergibt sich also folgende Situation. Gegeben ist ein gewisser
Bedingungskomplex (Versuch), dem wir eine bestimmte Anzahl von
Elementarereignissen , ,...., zuordnen können.
Die Gesamtheit der Elementarereignisse
,
die bei der Realisierung des Bedingungskomplexes eintreten können,
bilden den Ereignisraum . Jedem Einzelproblem der
Wahrscheinlichkeitsrechnung muß also ein abstraktes System von
Elementarereignissen zugeordnet werden.
Man kann den Ereignisraum geometrisch darstellen durch ein
Schachbrett- artiges Muster (siehe Abb.1), in dem jedes Feld ein
Elementarereignis darstellt. Ein beliebiges Ereignis wird dann durch eine
Fläche im Ereignisraum dargestellt. Exaktere mathematische
Formulierungen werden später angegeben.
Abbildung 1:
Geometrische Darstellung des Ereignisraumes.
Klassifizierung
Wir unterscheiden die Ereignisräume nach
der Anzahl der in ihnen enthaltenen Elementarereignisse .
Endliche Ereignisräume enthalten nur endlich viele Elementarereignisse:
(1) |
(2) |
(3) |
Ereignis als Teilmenge.
Wir haben im vorhergehenden (siehe auch Abb.1) schon angedeutet,
was wir unter einem Ereignis verstehen
wollen. Wir werden dieses jetzt präziser formulieren. Gegeben sei ein
endlicher Ereignisraum
. Wir definieren:
1. Jede Teilmenge
mit
des Ereignisraumes ist ein zufälliges Ereignis in .
2. Das zufällige Ereignis ist eingetreten, wenn das auftretende
Elementarereignis ein Element dieser Teilmenge ist.
Wir können diese Definitionen formelmäßig schreiben als
(4) |
Abbildung 2:
Illustration zum Begriff des Ereignisses.
Im Falle unseres Spielwürfels können die beiden Ereignisse
Menge Z der zufälligen Ereignisse
Nach obiger Definition ist jede Teilmenge
aus ein zufälliges Ereignis
in . Die Elementarereignisse sind selbst natürlich auch
zufällige Ereignisse in . Wir nehmen noch zwei Grenzfälle hinzu.
Der eine tritt auf, wenn das Ereignis alle Elementarereignisse
umfaßt,
. Dieses ist offenbar ein sicheres
Ereignis des Versuches und daher ein kausales Ereignis. In diesem Fall
ist . Weiterhin nehmen wir das unmögliche Ereignis hinzu und
bezeichnen es mit 0. Es wird durch die Teilmenge in repräsentiert,
die kein Elementarereignis enthält, also durch die leere Menge.
Für einen Ereignisraum mit 3 Elementarereignissen, also
ergibt sich die Menge der zufälligen
Ereignisse zu
Pseudozufallszahlen
In jeder Programmiersprache gibt es einen
Pseudozufallszahlen- Generator. Diese Systemroutine liefert bei
aufeinanderfolgenden Aufrufen eine Gleichverteilung von Zahlen in einem
gewissen Intervall [a,b]. Die Zahlen werden im Sinne der vorhergehenden
Erläuterungen als unabhängig angenommen, d.h. eine in einem bestimmten
Funktionsaufruf gelieferte Zahl hängt nicht von den vorherigen Aufrufen
ab. Wie weit diese Unabhängigkeit bei den Zufallszahlen- Generatoren
wirklich gewährleistet ist, wird in einem späteren Kapitel noch einmal
ausführlich diskutiert.
Wir werden dann sehen, daß genau das Gegenteil der Fall ist. Jeder
Zufallszahlen- Generator erzeugt Zahlen nach einem bestimmten Algorithmus.
Jede folgende Zahl wird aus der vorhergehenden Zufallszahl berechnet.
Warum man trotzdem so tun kann als ob die Zahlen unabhängig wären,
muß dann ausführlich diskutiert werden.
Im folgenden werden wir davon ausgehen, daß der Generator Zufallszahlen
im Intervall [0,1] liefert.
Wir haben soeben immer einen Begriff benutzt, der uns in diesem Tutorial noch häufig begegnen wird, nämlich den Begriff des Generators. Unter einem Generator verstehen wir allgemein eine Programm- Routine, die Zufallszahlen mit einem bestimmten Verteilungsgesetz berechnet. Wir prüfen die Annahme der Gleichverteilung des Zufallszahlen- Generators der Java Sprache im folgenden Applet. Wir haben hier einen Spielwürfel programmiert. Durch Ziehen mit der Maus kann man den Würfel rotieren, durch einmaliges Doppelklicken irgendwo in das Appletfenster wird eine Zufallsrotation ausgeführt. Mit Hilfe zweier Zoom- Buttons kann der Würfel verkleinert oder vergrößert werden. Die Ergebisse des Würfelns können in einem Histogramm gesammelt werden. Dazu müssen Sie den Knopf Show Plot anklicken und dafür sorgen, daß alle Fenster gleichzeitig auf Ihrem Bildschirm sichtbar sind. Mein Ergebnis nach 100 Würfen ist in Abb.3 gezeigt. Oben rechts im Histogramm- Fenster sind noch die Anzahl der Versuche (Entries), die Anzahl der ausserhalb des Koordinatenbereiches liegenden Ereignisse (Overflow, Underflow), sowie Mittelwert und Streuung (Average, Sigma) der Verteilung Die beiden letzteren Begriffe werden in einem späteren Kapitel ausführlich diskutiert. Durch Drücken des Buttons ChangePlot kann das Histogramm gelöscht werden.
Abbildung 3:
Gleichverteilung in einer Simulation mit dem Zufallszahlen-
Generator der Java Programmiersprache.
Der einmalige Aufruf des Zufallszahlen- Generators ist in unserem Sinne
ein Versuch. Alle Zahlen im Intervall [0,1] bilden ein System von
Elementarereignissen,
Zusammenfassung
Ein experimenteller Versuch, der durch einen
Bedingungskomplex beschrieben wird, liefert als Ergebnis zufällige
Ereignisse. Die Grundaufgabe der Statistik besteht darin, eine Menge
von Elementarereignissen zu finden, die sich gemäß Definition
gegenseitig ausschließen. Die Zuordnung der zunächst nur sprachlich
formulierten Elementarereignisse zu einem abstrakten Schema
ist die Grundaufgabe jeder statistischen
Analyse. Ein beliebiges Ereignis des Versuches kann dann in einer
noch exakter zu formulierenden Weise durch die Elementarereignisse
ausgedrückt werden. Die Gesamtzahl der Ereignisse in einem
Ereignisraum mit Elementarereignissen beträgt , von denen
allerdings nur auftreten können.
Übungen
Aufgabe 1:
Der endliche Ereignisraum bestehe aus den 4 Elementarereignissen
, , und . Geben Sie sämtliche zufälligen
Ereignisse an.
Aufgabe 2:
a) Wieviele zufällige Ereignisse gibt es beim Würfeln mit zwei
verschiedenfarbigen Würfeln ?
b) Im folgenden
Applet.
wird die Summe der Augenzahlen zweier Würfel gezählt.
Bei welchem Wert erwarten Sie das Maximum der Verteilung ?
Aufgabe 3:
a) Ein Würfelspiel bestehe aus 3 gleichen Würfeln. Sie dürfen bis zu dreimal
würfeln, jedoch müssen Sie nach jedem Wurf mindestens einen Würfel beiseite
legen. Gezählt wird am Ende nur die Summe der Augenzahlen der drei Würfel.
Wieviele Elementarereignisse gibt es bei diesem Spiel ?
b) In Abänderung zur Aufgabe Teil a) können Sie im folgenden
Applet.
nach jedem Wurf jeden Würfel aus dem Spiel herausnehmen oder wieder in das Spiel
hineinbringen. Sie deaktivieren den Würfel, indem Sie ein wenig mit der
Maus an dem Würfel ziehen, bis er in Graustufen dargestellt wird. Mit dem Reset-Button
können Sie alle Würfel wieder in das Spiel zurückbringen.
Wenn alle Würfel deaktiviert sind, spätestens aber nach dem dritten Wurf, wird das
Ergebnis in den Plot eingetragen und die nächtse Spielrunde beginnt. Entwickeln Sie eine
Strategie, um eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen.